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UX Design und Psychologie: Eine langjährige Freundschaft

Ich glaube, niemand pflegt so eine intensive Freundschaft oder Beziehung, wie das UX-Design zur Psychologie. Spätestens im Jahr 2023 müsste jedem UX-Designer klar sein, dass einfaches Basiswissen über Designelemente, Farbtheorie und Benutzungsp-Patterns nicht mehr ausreichen, um den modernen Kunden abzuholen – schliesslich ist eine Generation auf dem Weg, die Absichten sehr leicht durchschaut. Sie ist aber auch ziemlich leicht abzuholen, wenn man sich intensiver mit der Psychologie hinter dem UX-Design befasst.

Die meisten Handlungen von Menschen werden von Motivation, Wettbewerb und Bedürfnisbefriedigung angetrieben. Nach Maslows Theorie der Bedürfnisse suchen Menschen immer zuerst eine Möglichkeit, ihre physiologischen und psychologischen Bedürfnisse zu erfüllen, bevor sie anschliessend dazu motiviert werden, die nächste Stufe der Pyramide in Angriff zu nehmen.

Für UX Design bedeutet das nichts anderes, als dass bei einer Benutzungsoberfläche die grundlegenden Bedürfnisse der Nutzer erfüllt werden müssen, um sie motiviert zu halten. Eine User Experience muss dementsprechend zuverlässig und funktional sein, um die Benutzer in ihren Bedürfnissen (Sicherheit, Konsistenz, Zufriedenheit) zu befriedigen und sie zu motivieren, das Produkt weiterhin oder wiederholt zu benutzen.

1. Menschen kopieren Handlungen und Emotionen von anderen Menschen

Der „Chamäleon-Effekt» ist ein bekanntes Phänomen, bei dem man dazu neigt, Gesten, Mimik und Emotionen seines Gesprächspartners nachzuahmen. Es ist ein bewährter Tipp, um einen sympathischen Eindruck zu hinterlassen.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Benutzer Emotionen erleben, wenn sie ein Produkt verwenden. Als Designer kann man mit einer benutzerfreundlichen (UX-)Strategie versuchen, diese Emotionen nachzuahmen, um das Interesse und die Interaktion des Benutzers zu fördern und einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

2. Wenn’s schön aussieht, muss es auch gut sein

Menschen, die kein tiefgreifendes Verständnis von Technik haben, tendieren dazu, Produkte oder Webseiten nach dem Visuellen zu beurteilen. Dabei gilt grundsätzlich: Wenn es schön aussieht, dann muss das Produkt auch gut sein. Ob es das ist, ist die andere Frage, aber grundsätzlich lässt ein schönes, edles Design vermuten, dass das Produkt oder die Webseite entsprechend gut sein muss.

Die emotionalen Faktoren, die einen User dazu führen, eine Webseite als seriös wahrzunehmen, können emotionale Fotos in Hochauflösung sein, ein Design mit den Lieblingsfarben oder coole Animationen, welche die Aufmerksamkeit einfangen und fesseln.

3. Hab ich gerade meinen Namen gehört?

Der Cocktailparty-Effekt – noch nie davon gehört? Das ist das sogenannte „intelligente“ oder „selektive“-Hören. Es ist die Fähigkeit des Menschen, in einem Raum voller Menschen und Gespräche die jeweiligen Schallwellen so zu unterdrücken, dass sie sich nur auf den Gesprächspartner konzentrieren können. Doch selbst wenn sie gerade mit diesem beschäftigt sind, sind sie immer dazu in der Lage, ihren eigenen Namen zu hören, sobald er irgendwo genannt wird.

Dieses Phänomen kann von Designern genutzt werden, um die Aufmerksamkeit von Benutzern zu gewinnen. In der heutigen Informationsgesellschaft checken wir oft regelmässig unsere Smartphones und werden von einer Flut von Benachrichtigungen überschwemmt. Wenn Designer es schaffen, den Benutzernamen in den Benachrichtigungen zu verwenden und den Benutzer direkt ansprechen, steigt die Wahrscheinlichkeit, vom Benutzer auch wahrgenommen zu werden und aufzufallen.

4. So viele Entscheidungen. So wenig Zeit.

William Edmund Hick und Ray Hyman, beide renommierte Psychologen, haben in ihren Studien festgestellt, dass eine Überfülle an Entscheidungsmöglichkeiten bei Verbrauchern oft zu Unentschlossenheit und einer Verringerung der Kaufabsichten führt.

Benutzer von Apps und Webseiten sind manchmal sehr…nun ja… einfach gestrickte Lebewesen. Sie sind süss, weil sie sich mit schönem Design lenken lassen, aber sie sind überfordert, wenn wir ihnen zu viele Optionen offen lassen und somit viele Entscheidungen von ihnen erwarten. Viele Optionen und viele Entscheidungsmöglichkeiten zwingen den Benutzer dazu, sich damit auseinandersetzen zu müssen. Und: Das will er nicht.

Designer nutzen diesen Vorteil und wissen, dass die Zeit ihrer Benutzer sehr kostbar ist. Jeder User kann sich jederzeit dazu entscheiden, von der Webseite abzuspringen. Aus diesem Grund organisieren Designer Produkte in Kategorien, separieren ganze Prozesse in überschaubare Steps und schaffen es, komplexe Abläufe zu simplifizieren.

5. Du kommst mir so bekannt vor, also kenne ich dich

Menschen neigen dazu, das zu kaufen oder zu tun, was sie schon kennen. Sie bevorzugen Dinge, mit denen sie vertraut sind.

Aufgrund von Produktbekanntheit oder Erfahrung neigen Benutzer und Verbraucher dazu, eine psychologische Präferenz zu entwickeln. Dies wird als „Blossbelichtungseffekt“ bezeichnet.

Schlaue Designer verwenden diese Erkenntnis, indem sie Call-to-Actions an bestimmten Stellen auf dem Bildschirm positionieren. Vorzugsweise dort, wo der durchschnittliche Benutzer am allermeisten hinsehen oder seine Maus unbewusst hinbewegen wird.

Beispiel: Auf Mobile befindet sich der „Weiter“ Button einer App oft oben rechts. Dort vermuten Benutzer als erstes einen „Home“-Button und werden entsprechend nach diesem suchen und dabei diese Schaltfläche treffen.

6. Gib ihnen das Gefühl, das sie entscheiden können

Gestalter nutzen wiederkehrende Aktionen, um Benutzern den Anschein von Kontrolle zu vermitteln. Diese Situation wird von Designern geschaffen, um Benutzern das Gefühl zu geben, dass sie selbst am Steuer sitzen.

Psychologen haben bestätigt, dass wir Menschen tendenziell besorgt sind, wenn wir die Ereignisse unseres Lebenspfades nicht vorausbestimmen können.

Ein einfaches Beispiel dafür ist die Schaltfläche «X» in Dialogfeldern. Tatsächlich hat der Benutzer nur zwei Optionen zur Auswahl: Entweder die Aktion abzubrechen oder die Schaltfläche «OK» zu klicken, um fortzufahren. Es gibt jedoch eine weitere Schaltfläche «X», die dieselbe Funktionalität wie die Schaltfläche «Abbrechen» hat, aber für Benutzer bedeutet sie «Ich bin mir nicht sicher, also will ich keine Entscheidung treffen» – und sie wird eher angeklickt.

Fazit

Benutzer lassen sich beim Benutzen von digitalen Produkten stark von der Psychologie leiten – Designer können sich genau diesen Fakt zu Nutze machen und die alltäglichen psychologischen Phänomene auf ihr Produkt anwenden.

Dabei geht es vor allem darum, die Aufmerksamkeit der Benutzer zu halten oder wenn nötig, subtil einzufordern, Bekanntes wieder aufzunehmen, Entscheidungen zu minimieren, Prozesse klar zu strukturieren und Emotionen zu wecken.

Geschrieben von:
Marina Katic, UX-Webdesignerin bei der raffiniert media AG

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